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Das Alter ist ein Massaker: Philip Roth hat einen brillanten Roman über die menschliche Sterblichkeit geschrieben


Von Medienbüro Sohn

Thumb Die Amerikaner haben es besser. Während wir Deutschen beim Thema Alter und Altern oft nur an unsere maroden sozialen Sicherungssysteme oder die Rente mit 67 denken, verfügt das dynamisch wachsende 300-Millionen-Volk über eine Reihe großartiger Autoren, die spannende Bücher über die wichtigen Dinge des Lebens schreiben können. Und der Tod ist sicher ein besonders wichtiges, setzt er doch den unwiderruflichen Schlusspunkt. Alt werden wir alle, es sei denn, wir sterben früher. Philip Roth ist ein ganz großer Autor, der in Deutschland seinesgleichen suchen müsste. Wir haben statt dessen Martin Walser und Günter Grass. Ein Kommentar erübrigt sich. Roth und sein Kollege John Updike locken ihre Leser immer auch damit, dass sie einige Sexszenen in ihr Werk einstreuen. Doch wenn wir über die „Altherrenerotik“ in ihren Büchern die Nase rümpfen, erliegen wir einer gedanklichen Barriere. Warum dürfen ältere Herren – ob sie nun Schriftsteller sind oder nicht – kein Anrecht auf Erotik haben? Sex ist kein Vorrecht der Jugend. Doch dies nur am Rande und nun zum Eigentlichen. „Jedermann“ ist ein brillanter Roman, der seinen Vorgängern in nichts nachsteht, sie in seiner Prägnanz vielleicht noch übertrifft. Nicht ohne Grund erscheint Roths Werk in einer maßgeblichen Gesamtausgabe in der Library of America. Ob der Protagonist wirklich ein Jedermann ist, darf jedoch in Frage gestellt werden. Denn nicht jeder von uns kann auf eine erfolgreiche Karriere in einer Werbeagentur zurückblicken und auf eine Ehe mit einem wesentlich jüngeren dänischen Modell, dass den reifen Herrn zu abwechslungsreichen Varianten des Liebesspiels einlädt. Doch dies spielt keine Rolle, denn wenn wir einmal ehrlich sind, so kommen wir zu der Erkenntnis, dass wir unser eigenes oft etwas tristes Leben gar nicht verfilmt sehen oder als Roman lesen wollen. Jedermann kämpft sein Leben lang gegen die Sterblichkeit, und in dieser Auseinandersetzung stehen wir alle. Aus diesem Grund können wir uns mit der Titelfigur identifizieren. Wenn die eigenen Großeltern oder Eltern sterben oder mit Ende 20 die ersten flüchtigen Bekannten und vielleicht auch engeren Freunde, spätestens dann bekommen wir es oft mit der Angst zu tun: Morgen könnte es vorbei sein. In der Kindheit kann einem die Zeit nicht schnell genug vorbei gehen. Man fühlt sich unsterblich. Aber auf einmal gräbt sich der Tod in unser Bewusstsein ein, und wir können dieses Bild nicht mehr aus unseren Gedanken verdrängen. Irgendwann ist Jedermann „zu einem Lagerhaus für künstliche Gerätschaften“ geworden, „die den endgültigen Zusammenbruch hinauszögern helfen sollen“. Der Körper verweigert immer öfter seinen Dienst, und der Blick zurück ist nicht mehr angenehm. Jedermann wird einsam. Drei Ehen sind gescheitert, die eigenen Söhne halten ihn für ein Schwein, nur die Tochter liebt ihren Vater ohne moralischen Hochmut und Anspruch darauf, über sein Leben zu Gericht zu sitzen. Roth lehrt auch, dass Leiden und Alter nicht unbedingt weiser und edler machen. Sein Held ist kein gütiger alter Mann, der milde in die Abendsonne seines Lebens blickt. Ansonsten würde sich der Neid nicht so sehr in ihn hineinfressen, wenn er an seinen geschäftlich äußerst erfolgreichen, kerngesunden älteren Bruder denkt, der ihm immer nur Gutes getan hat. Die Werbewirtschaft und die Politik nehmen seit einiger Zeit die kaufkräftige und vitale Generation der Älteren ins Visier. Doch bei Jedermann ist mit 60 so langsam Schluss: „Er hatte dreimal geheiratet, hatte Geliebte und Kinder gehabt und war in einem interessanten Beruf sehr erfolgreich gewesen, aber jetzt schien die Flucht vor dem Tod zur zentralen Aufgabe seines Lebens und körperlicher Verfall sein ganzer Lebensinhalt geworden zu sein.“ Operationen und Krankenhausaufhalte summieren sich, und es bleibt keine Zeit mehr, den Ruhestand zu genießen. Jedermann wird immer einsamer und pessimistischer. „Das Alter ist kein Kampf; das Alter ist ein Massaker“: Nicht alle quietschfidelen und kerngesunden Senioren werden diesen Satz bestätigen. Aber es gibt eben die Ausnahmen. Krebs, Parkinson, Zucker, Herzbeschwerden oder Alzheimer können die Zeit vor dem Tode zur Hölle auf Erden machen. Wir sollten die verbleibende Zeit also bewusst nutzen. Zum Beispiel mit dem Lesen guter Bücher. Philip Roths Roman gehört mit Sicherheit dazu. Wir sollten dankbar sein, dass der mittlerweile 73-jährige Schriftsteller noch so produktiv ist und vom Schicksal seines jüngsten Roman-Helden weit entfernt zu sein scheint. Philip Roth: Jedermann. Carl Hanser Verlag: München/Wien 2006. 176 Seiten, 18,90 Euro.


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