São Paulo – Köln
Von Arara Verlag KarlsruheKarlsruhe, 13.07.2017 – Überraschend anders verarbeitet der erfolgreiche brasilianische Schriftsteller Marcelo Nocelli in seinem im November 2016 im Arara Verlag erschienenen Roman São Paulo – Köln das literarische Thema Liebe und widerlegt das Klischee des Latino-Machos.
© Arara Verlag 2016, 417 Seiten, ISBN 978-3-9818090-1-5
Der Journalist Eric Resende wird von seiner großen Liebe, der Ex-Prostituierten Geovanna, verlassen. Fast zwanzig Jahre später erhält der mittlerweile bekannte Schriftsteller einen Brief aus Köln. Ein unerwartetes Geständnis der Verflossenen wirft Eric, der seit der Trennung zwischen dem Ruhm eines Künstlers und dem ausschweifenden Leben eines verbitterten Mannes in den Rotlichtbezirken São Paulos zerrissen ist, aus der Bahn. Er beschließt nach Europa zu reisen und sich der Vergangenheit zu stellen, um endlich Klarheit in sein Leben zu bringen. Doch die sehr unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten in Brasilien und Deutschland sowie Zeit und Distanz erschweren Erics Vorhaben.
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Nocelli versetzt uns zunächst nach São Paulo, in das Leben von Eric. Zunehmender Alkoholkonsum und folgenlose käufliche Liebe lassen den Schriftsteller immer tiefer im Sumpf seiner Gefühle versinken. Erst der Brief seiner Ex-Freundin Geovanna reißt ihn aus seiner Nabelschau. Nocellis ironisch-flotter Stil bedeutet besonderes Lesevergnügen. Schnell wird man zum Vertrauten des Protagonisten, leidet mit, wenn Eric sich in depressiven Phasen gehen lässt, und atmet auf, wenn er es schafft, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und Probleme souverän zu lösen.
Die Reise nach Köln und die sich langsam entwickelnde Freundschaft zu Geovannas Sohn Klaus und dessen Freundin Gisele, aber auch die Liebschaft mit Priscilla, einer attraktiven Journalistin aus São Paulo, die den Schriftsteller in die Stadt am Rhein begleitet, wecken Zuversicht, dass Eric die Fesseln der Vergangenheit überwinden und die Gegenwart neu entdecken wird. Der mitfiebernde Leser befindet sich in Köln auf bekanntem Terrain, doch das Vertraute wird durch die Augen des Fremden zu etwas Neuem.
Einfach macht es uns Nocelli mit seinem sympathischen Protagonisten dennoch nicht. Ungeachtet seiner jungen Beziehung zu Priscilla beginnt Eric eine Affäre mit der Samba-Tänzerin Margot, die er in einer Kölner Churrascaria, einem Angelpunkt der Geschichte, kennenlernt. Obwohl Eric und Margot vor allem körperliche Liebe verbindet, eröffnen ihm ihre Gespräche eine unbekannte Welt, die Realität, in der auch Geovanna lebte. Seine Erkenntnisse vermittelt Eric auch Klaus und Gisele, die ebenfalls eine schwierige Phase durchmachen. Der Verlust der Mutter, von der er sich verraten fühlt, die widerstrebende Bekanntschaft mit Eric, die Enttäuschung über die Haltung seines Vaters haben Klaus Gewissheiten erschüttert. Doch gerade in dieser Situation erweist sich Eric als Freund. In nachdenklichen Gesprächen über Liebe, Verlangen, Beziehung und Familie reflektieren Eric und Klaus ihre Gedanken und Gefühle und positionieren sich neu.
Mit Spannung verfolgt man die Entwicklung der Charaktere, deren widersprüchliche Gefühle Nocelli in São Paulo – Köln gekonnt in eine sehr gut lesbare Sprache fasst, die ohne erhobenen Zeigefinger auskommt und ein emanzipiertes Männer- und Frauenbild zeichnet.